09.05.07

Budo oder bugei?

Auszug aus der Wikipedia:

Budō (japanisch 武道, deutsch Militär-Weg, Kriegskunstweg, Weg des Krieges) ist der Oberbegriff für alle japanischen Kampfkünste, die – im Gegensatz zu den traditionellen Bujutsu Kriegskünsten – außer der Kampftechnik noch eine „innere“ Dō Lehre oder auch Philosophie beinhalten.

Diese Definition ist uns allen geläufig, mehr oder weniger im selben Wortlaut. Mittlerweile bin ich der Meinung, daß budo nicht richtig auf mich (und auch andere) zutrifft. Deshalb habe ich angefangen, mich als bugeisha zu bezeichnen. Spaßvögel könnten jetzt in ihrer Unwissenheit auf dumme Gedanken kommen, aber ich bin kein Transvestit!

Neulich hatte ich die seltene Gelegenheit, einem Hufschmied bei der Arbeit zuzusehen. Wer die Möglichkeit hat, sollte ebenfalls einem altgedienten Handwerker über die Schulter schauen. Ein solcher Zeitgenosse, der (wie in meinem Fall) das Handwerk von seinem Vater erlernt hat und sogar noch seinen Sohn dabei hat, damit der lernen kann, wird nie irgend etwas versuchen. Er macht, was nötig ist und führt vielleicht noch eine kleine Korrektur durch. Aber er wird nie großartig herumfummeln. Mein Hufschmied sah sich die zu erledigende Arbeit an und führte sie aus. Und was soll ich sagen? Es war perfekt; nicht maschinelle Perfektion, aber das Ergebnis entsprach genau dem, was wir brauchten. Ich war tief beeindruckt!

Dieser Mann hat nie etwas anderes gemacht. Die jahrelange Arbeit mit seinen Werkzeugen und -stoffen hat ihn in ein Stadium gebracht, das ihm auf einen Blick jede Erkenntnis für seine Aufgabe wie ein offenes Buch darlegt; Wissen, vom Vater auf den Sohn auf dessen Sohn weiter gegeben und somit schon eine durchgängige Handwerkerschule. Ich muß nicht noch unbedingt erklären, daß dieser Mann vollkommen mit sich selbst im Reinen ist und allseits geachtet und beliebt ist. Er schöpft seine Zufriedenheit und Ausgeglichenheit aus seiner Passion. Letztendlich alles Ziele, die auch in der Kampfkunst verfolgt werden.

Selbstverständlich kommt auch bei Handwerkern eine sogenannte "eigene" Philosophie zum Tragen, die allerdings nicht in Schriftform existiert. In der Regel gibt es einen ethischen Leitfaden, aber die echten Dinge, die diese Handwerke ausmachen, werden mündlich weiter gegeben und entsprechen auch so einer Tradition.

Als gei werden im japanischen Sprachgebrauch die traditionellen (Handwerks)-Künste bezeichnet. Da auch ich letztendlich in der Tradition einer Schule stehe und eine Lehre von meinem sensei nahe gebracht bekomme, die er wiederum von seinem sensei gelernt hat, versuche auch ich irgendwann den Blick für mein Werkeug (in diesem Fall das Schwert) zu bekommen, um das tun zu können, was just in diesem Moment getan werden muß. Dafür werde ich noch so manches Jahr im dojo verbringen und das Erlernen meines Handwerks verfolgen.

Eine geisha ist also jemand, der die schönen Künste der Unterhaltung beherrscht und pflegt. Ein bugeisha beherrscht und pflegt ein Kriegshandwerk.

Nachtrag:

Vorgestern bekam ich diese Mail:

Guten Morgen Lars !
...
Bei Deinem letzten Text ist mir ganz spontan ein 75 jähriger Zimmermann wieder in den Sinn gekommen mit dem ich letztes Jahr unsere Holzterrasse einschl Rankgitter usw. gebaut habe. Er hat das Handwerk auch von seinem Vater gelernt. Seine Frau und er waren kinderlos bis sie in etwas gesetzterem Alter einen Jungen als Pflegekind aufgenommen und später adoptiert hatten. Junior ist jetzt Mitte 20 und ich brauche nicht erwähnen, welches Handwerk er inzwischen ausübt.
Natürlich lernt er Arbeitsweisen, die im Zeitalter der maschinellen Vorfertigung des Holzes nur noch wenige kennenlernen dürfen. Wenn die Beiden anfangen wird zunächst das Material begutachtet und wenn das gut ist, geht über die Gesichter ein Lächeln und die Arbeit oder besser die Freude beginnt.
...
Gruß
Lutz

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