24.05.07

Rei aus der Tube

Rei ist wirklich eine tolle Sache. Überall zugegen, beim Betreten des dojo, bei der Begrüßung von sensei, vor und nach jeder Übung, beim Verlassen des dojo...

Und wenn wir ehrlich sind, begleitet uns rei jeden Tag. Das "Guten Morgen, Schatz" gehört wie "Tach, Chef" und anderen Formen des höflichen Umgangs untereinander dazu, ganz unabhängig, was wir tun.

Aber meinen wir auch immer, was wir da sagen? Seien wir doch einmal ganz ehrlich. Ich meine: so richtig ehrlich! Na, ist die Antwort auch "Nein"? Aha, erwischt!

Jeder von uns kennt solche Situationen, bei denen das "Guten Morgen" zur Floskel verkommt. Viele von uns benutzen ausschließlich Floskeln, naja, nahezu jedenfalls. Muß das denn sein? Ehrlich sein, bei dem Ekelpaket, das mir da gegenüber sitzt?

Das ist wohl die allergrößte Herausforderung, die wir prima im dojo üben können. Denn wenn wir immer noch ehrlich sind, ist auch dort jemand, den wir nicht so richtig leiden können. Aber trotzdem können / werden / dürfen wir diesen Zeitgenossen nicht ignorieren. Wir werden mit ihm üben. Die erste Hürde, die wir dabei nehmen müssen, ist die Versuchung, diese Kanaille mal ordentlich in die Matten zu hämmern, damit der Bursche auch genau weiß woran er ist; oder ihm mit dem bokken ganz "versehentlich" (natürlich) eins verpassen. Har har! Und was haben wir davon? Vielleicht ein kurzes Gefühl der Genugtuung und das war es schon. Was haben wir dabei gelernt? Nichts! Die zweite Hürde: das schreit nach Wiederholung! Klasse, dann mache ich das gleich noch einmal! Har har! Und wieder nix gerlernt! Super, Burschi! Hürde Nummer 3? Langsam aber sicher der eigene Schädel...vielleicht wird es ja noch mal was mit dem Lernen...

Na, sowas schon erlebt? Oder vielleicht selbst schon mal gemacht? Woran hat es gelegen? Kann es sein, daß der "tiefempfundene Respekt" gar nicht ein solcher war? Hat der Respekt in den Kampfkünsten Grenzen? Hat Respekt überhaupt Grenzen?

Besonders in den sogenannten "McDojo" manifestiert sich das vollkommen inhaltslose, unbeseelte rei, als wäre es ein Schnellwaschmittel oder eine Tütensuppe. Manche schaffen es gerade bei der Begrüßung des Lehrers oder bei seiner Verabschiedung noch eine akzeptable Kopie eines ordentlichen zarei. Anonsten geht es immer nur zupp und weg, zupp und üben, zupp und...

Es ist wichtig, die Dinge, die man macht, auch zu meinen. Soll heißen, wenn ich mich nach der Übung bei meinem Partner mit einer Verbeugung bedanke, dann meine ich auch danke. Und wenn ich meinem Hausnachbarn einen schönen Tag wünsche, dann meine ich es auch so.

Nach der Übung hört übrigens rei auch noch nicht auf. Meinem sensei und auch meinen Mitschülern, egal ob sempai oder kohai, gebührt weiterhin Respekt. Sie sind schließlich nicht plötzlich jemand anderes, nur weil sie "zivil" sind. Und wenn ich bugeisha außerhalb des dojo Respekt zolle, kann ich das bei jedem anderen auch. So trage ich das Gelernte (und rei ist fester Bestandteil der Kampfkunst) nach außen. Es tut nicht weh und es hilft, das Miteinander zu verbessern.

Keine Kommentare: