16.07.08

Yamaoka Schweinsteiger

In einem der paar Internetforen, in denen ich anwesend bin und auch schon einmal selber schreibe, habe ich in einer Antwort auf das unten publizierte Schreiben von Dr Kobbé einen sehr bemerkenswerten Satz gefunden. Dort steht geschrieben, daß der Verfasser es nicht gut findet, "wenn wir Budo als etwas Tiefgründigeres darstellen, als z.B. Tischtennis oder Fußball". Er relativiert die Aussage zwar als "überzogen", aber trotzdem spiegelt das eine gewisse Sichtweise wieder, die doch recht weit verbreitet ist.

Ich habe das "Vergnügen", ein paar Fußballspieler als Kollegen zu haben. So habe ich quasi die Möglichkeit, Feldforschung am lebenden Objekt zu betreiben. Was mir umgehend aufgefallen ist, ist die Tatsache, daß deren Disziplin sich auf die 90 Minuten auf dem Feld beschränkt. Im Geschäfts- und Privatleben sieht es dagegen eher mau aus. Darauf angesprochen bekam ich folgende Antwort: "Das ist doch hier etwas ganz anderes!"

Kampfkunst dagegen endet nicht beim Verlassen des dojos nach einem Übungsabend oder einem taikai. Kampfkünstler wissen ganz klar, daß sich ihre gewählte Kunst über jeden Aspekt ihres Daseins erstreckt. Die Tugenden, die sie unter ihrem Lehrer üben, bewahren sie sich auch in ihrem täglichen Leben.

Die angesprochene Disziplin ist für einen Kampfkünstler lebensnotwendig, denn sie umfasst viele Dinge, nicht nur reine Pünktlichkeit. Vielmehr sind Dinge wie ständige Aufmerksamkeit und "bereit sein" unabdinglich. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn unsere Fußballer während ihres Broterwerbs ständig faseln und abgelenkt sind, anstatt sich auf ihre Tätigkeit zu konzentrieren. Kein Kampfkünstler, den ich kenne, macht so etwas. Und es ist egal, ob sie einen hochdotierten Job wie Anwalt oder Arzt haben, oder ob sie Student oder erwerbslos sind. Sie sind bei dem, was sie tun.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Bewegungsqualität. Auf dem Platz bewegen sich Fußballer sehr gefasst, aber wie bewegen sie sich neben dem Platz? Man sieht oft dieses unglaublich dynamische Gehen, die Schultern rollen und der Oberkörper wankt hin und her, wie man es aus Hollywoodfilmen kennt und was mich irgendwie an meine Katzen erinnert. Kampfkünstler gehen so nicht. Sie gehen als "ganzes". Sie vermeiden unnötige Bewegungen und hinterlassen nie den Eindruck, als würde sich ein Körperteil ohne den anderen bewegen.

Diese Bewegungsqualität ist auch ein Indiz für den geistigen Zustand. Wenn Kampfkünstler sich gefasst bewegen, dann kann man sogar deutlich sehen, daß auch ihr Geist gefasst ist und sich im Einklang mit dem Körper bewegt. Kann man das über Kicker auch sagen?

Ebenfalls spannend ist, sich diese Idole der Jugend einmal anzuhören und sich dazu seine Gedanken zu machen.

Ich könnte jetzt noch etliche Beispiele aus dem Medien zitieren, die mit Fußballspielern und ihrer Auffassung des Lebens zu tun haben, aber das würde den Rahmen sprengen. Wichtig ist noch ein weiterer Punkt: Kampfkünstler wissen, daß sie bereit sein müssen zu sterben, um ihre Übung frei auszuführen. Diese Bereitschaft ist ein elementarer Kern des budo. Daran üben alle Kampfkünstler bis an ihr Lebensende und sie lassen sich nicht aufhalten, denken wir nur an Yamaoka Tesshu, der selbst dann, als der Krebs seinen Magen auffraß, noch jeden Tag ins dojo ging, um seine Übungen zu verfolgen oder auch Kaofujita, der selbst in hohem Alter immer wieder zu seiner allerersten gelernten Übung zurückkehrte, weil er sie immer noch nicht gut beherrschte. Budo dauert das ganze Leben, ein Spiel dauert nur 90 Minuten. Das allein ist ein Riesenunterschied.

Kampfkunst ist eine Anleitung zum Leben. Ist das tiefgründig genug?

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