20.06.07

Nix für Schnarchnasen!

Kampfkunst-Biographien sind ja immer so eine Sache. Meistens wird glorifiziert, daß man den Inhalt nur noch zur Hälfte ernstnehmen kann. Eine gewisse Objektivität kommt oft abhanden, da der Biograph selten seinem Subjekt kritisch gegenüber steht. Noch gefährlicher wird es bei Autobiographien aus diesem Bereich.. Was habe ich da schon für Dinge gelesen! Wieviele während ihrer shodan-Prüfung im aikido schon von O-senseis Geist höchstpersönlich angeleitet wurden, da sind wohl so einige Überstunden fällig gewesen!

Robert Twigger bildet da eine löbliche Ausnahme, allerdings eine, zu der meine Meinung oft war: "Das kann der doch nicht ernst meinen!?!" Aber first things first: Herr Twigger hat in Oxford studiert, ist ausgewiesener Poet und hat sich auf das Abenteuer Japan eingelassen. In Tokio fristet er in einer 3-Mann-WG mit einem halblegalen Iraner und einem Australier ein eher ödes Dasein als Sprachlehrer. So weit, so unspektakulär, ebenso wie die Tatsache, daß die meisten Männer, die in den Anfängen der Dreißiger stehen, plötzlich ein gesteigertes Interesse an ihrer Fitness haben. Damit liegt in der Folge "Japan - 30 - Fitness" auch ein Interesse an Kampfkunst nicht fern. Jedenfalls enden diese Gedanken im Yoshinkan von Gozo Shioda.

Ab hier könnte den Leser eine beschauliche Beschreibung des Fortschritts erwarten, wenn nicht den guten Herrn Twigger der Teufel reiten würde beim einjährigen Spezialtraining mit der "Tokyo Riot Police" teilzunehmen. Von hier an beginnt eine Geschichte voller Schmerz, Ärger, Freude und Freunde und Trauer, die in ihren kleinen Zwischengeschichten aus dem täglichen Leben einen herrlichen klischeelosen Blick auf Japan enthüllt. Dazu werden die Kapitel immer wieder mit Anekdoten von Tesshu Yamaoka gewürzt, die immer einen Bezug zu dem gerade Geschehenden haben.

Irgendwie ha der Leser es nicht mit einem klar zu definierenden Genre zu tun. Es ist kein richtiges Kampfkunstbuch (obwohl man viel daraus lernen kann), es ist keine richtige Autobiographie (weil sich die Geschichte auf den Personenkreis der gaijin konzentriert), es ist kein Roman (obwohl ich manchmal lieber glauben würde, es wäre erfunden, ich es aber besser weiß) und kein Reisebericht (obwohl...mit dem kaputten Motorrad durch Tokio zum dojo?)

Ich jedenfalls habe mich köstlich amüsiert. Mit viel Humor und Fachwissen über Land und Leute geschrieben ist es ein hervorragendes Buch für den bevorstehenden Urlaub. Nur eins dürfte am Ende jedem klar sein: es gibt kein "Dazwischen" in der Kampfkunst, schon gar nicht im Training mit der "Tokyo Riot Police"!

Robert Twigger "Angry White Pyjamas - A scrawny Oxford poet takes lessons from the Tokyo Riot Police"
HarperCollins USA
316 Seiten, ISBN 978-0-688-17537-5
Preis US$ 15,00

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