04.05.07

Und leise rauschen die Wälder...

In den letzten Jahren habe ich an mir ein Phänomen entdeckt, das früher nicht so ausgeprägt war: ich bin gerne mitten in der Natur, ohne direkten Kontakt zu unserer sogenannten Zivilisation. Flüsse, Wälder, Wiesen und / oder Felder haben es mir angetan und dienen mir zur Inspiration in ganz praktischer Weise.

Wälder: die Bäume wiegen sich im Wind, das Laub raschelt in der Brise...

Felder: Windböen biegen die Garben und zeichnen ein flüchtiges Muster...

Wiesen: das Gras wogt hierhin und dorthin und Blumen sprenkeln das Grün...

Flüssen: Wasser rauscht, Wellen bilden sich, verschwinden wieder; Kehrwasser gurgeln...

Wenn wir Kampfkunst üben, verfallen wir gerne in einen zählbaren Rhythmus, der uns durch die kata leitet. Wissenschaftler wollen festgestellt haben, daß unser Drang zu diesem gleichförmigen Rhythmus (ebenso wie in der westlichen Musik) daher rührt, daß wir in unserer kulturellen Entwicklung seit tausenden von Jahren von Reittieren abhängig waren, deren gleichförmiger Hufschlag sich in diesen Rhythmen widerspiegelt. Wenn wir aber japanische folkloristische Musik hören, erscheint sie uns in gewisser Weise unrhythmisch, um nicht zu sagen: atonal.

Warum?

Wir lesen immer wieder gerne, daß sich asiatische Kampfkunstmeister von der Natur zu ihren Techniken inspirieren ließen. Ein populärer Ausspruch Bruce Lees ist:"Be like water, my friend." Ähnliches hat man auch schon von anderen Meistern gehört. Er spricht explizit von Wasser, nicht davon, ein Pferd oder ein Ochse zu sein.

Wasser hat keinen klar definierbaren Rhythmus. Es gibt keine gleichförmige Wiederholung in seiner Fließbewegung oder -geschwindigkeit. Dem Wind geht so etwas ebenso ab. Bäume, Blätter, Gräser oder Ähren biegen sich nicht immer gleich. Alles bewegt sich so, wie es die Situation erfordert.

Es ist sehr wichtig für uns, mit dem Fortschreiten der Übung das vorgefertigte, westliche Rhythmusmuster zu verlassen und der Situation angepaßt zu agieren. So bleibt der Geist klar für das Verständnis dafür, das der simulierte Kampf in der kata sich nie wiederholen wird und ergibt sich nicht einer sklavischen Abstumpfung.

In der muso shinden ryu für iaido gibt es die kata "sanpogiri". In ihr wird der Angriff von 3 Leuten simuliert: einer, der gefährlichste, kommt von vorn, seine Handlanger von links und rechts. Zuerst wird der rechte Gegner beschäftigt, dann der linke und zuletzt derjenige, der sich vis-a-vis aufhält. Es lohnt sich, in der kata die kurzen Pausen immer wieder anders zu setzen: 1,2 - 3; 1-2,3 oder --1,2 - 3 oder auch 1,2,3. Wir dürfen in unserer Vorstellung auf keinen Fall ein Muster beibehalten. Das wäre sonst eine Sackgasse innerhalb der Übung.

Geht vor die Tür.

Get inspired!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Was für ein schöner Beitrag!

Die Natur ist Leben, die Natur ist Veränderung, die Natur ist Wandel. Nichts ist in der einen Sekunde das, was es eben noch gewesen ist.

Alles was starr und unflexibel ist ist wider der Natur; es ist tod.

Gleiches gilt für uns, unseren Körper, unseren Geist und unser Handeln.
______

(Laozi 76, Übersetzung von Richard Wilhelm)


Der Mensch ist weich und schwach, wenn er geboren wird,
fest und stark, wenn er stirbt.

Kräuter und Bäume sind weich und saftig, wenn sie entstehen,
dürr und hart, wenn sie sterben.

Denn das Feste und Starke gehört dem Tode,
das Weiche und Schwache gehört dem Leben.

Also auch:

Sind die Waffen starkt, so siegt man nicht.
Ist ein Baum stark, so braucht er Stützen.
Das Starke und Große steht unten.
Das Weiche und Schwache steht oben.
______

Liebe Grüße
sui fēng,
die glücklich ist, die Möglichkeit zu haben, täglich im Wald die Weichheit erleben zu können